Nachdem im Januar gerade das neue Schuljahr angefangen hatte und wir eigentlich total eingespannt waren mit den neuen Kids, sind Ferdi und ich schon wieder für 'ne Woche abgehauen, und zwar diesmal nach Südafrika für unser Zwischenseminar. Tatsächlich war damit Halbzeit - die ersten sechs Monate dieses Abenteuers hatten wir überlebt! (In der Zwischenzeit sind es sieben, aber darauf komm ich noch mal zurück.) Mit dem Intercape-Nightliner (ein megabequemer Doppeldecker-Reisebus) sind wir also losgetuckert durch den schönen Süden Namibias über die Grenze nach Südafrika und ab zur Stadt am Kap! Nach 24 Stunden Fahrt hatten wir dann noch einen weiteren Tag Zeit, Kapstadt selbst anzugucken, bevor wir in einen Zug (!!!!) gestiegen sind und an unseren Seminarort Wellington gefahren sind. Die Zugfahrt mit Kopf aus dem Fenster, Blick auf die riesige Stadt, die plötzlich rund um uns war und den beeindruckenden Tafelberg im Hintergrund, war ein richtiges Erlebnis.
Als wir endlich an der Bloublommetjieskloof Demeter-Farm ankamen, haben alle "Freunde" schon auf uns gewartet, weil an die armen Namibier wieder keiner gedacht hat und man uns am Bahnhof vergessen hatte. Die meisten anderen Teilnehmer waren Freiwillige aus Kapstadt, die alle mit ihren eigenen Autos angereist sind...
Das Seminar war interessant, aber auch nicht zu anstrengend, man hat viele Geschichten erzählt und gehört, Projekte vorgestellt, viel über biodynamische Landwirtschaft und die Marke Demeter sowie über die Geschichte Südafrikas und ihren großen Helden Nelson Mandela gelernt. Es war interessant, sich mit den anderen Freiwilligen auszutauschen, da die Erfahrungen doch sehr unterschiedlich ausfallen. Vor allem die Kapstadt-Leute haben wohl ein ganz anderes Leben in ihrer großen Gruppe von deutschen Freiwilligen, inmitten dieser südafrikanischen Metropolstadt. À propos: Kapstadt ist einfach der Hammer. Gott sei Dank kam nach dem Seminar ein Wochenende und wir konnten noch mal drei intensive Tage in Kapstadt selbst verbringen. Für mich war das close to perfect, in Kapstadt findet man Berge mit wunderschönen Hikes (Wir sind zum Sonnenuntergang auf den Lion's Head geklettert), man findet das Meer mit seinen zahlreichen Surf-Stränden rund um Kapstadt und der Küstenstraße, die durch ein süßes Örtchen nach dem anderen führt UND man findet auch das City Life - die Long Street (Partystraße Kapstadts) und die vielen kleinen Läden und Cafés zaubern einfach eine großartige Atmosphäre. Zwei Nächte haben wir bei einer Mitfreiwilligen verbracht und durften den Charme des Stadtteils Muizenberg, der ganz im Süden der Halbinsel direkt am Wasser liegt, kennenlernen. Dort findet man mehr Skater als Fußgänger, zahlreiche süße, verkünstelte Häuschen, einen Surfshop neben dem anderen und einen tollen multikulti-Markt am Freitagabend. Dank der Freiwilligen vor Ort konnten Ferdi und ich mit einem Auto die Küste über Simon's Town, wo wir Pinguine beobachtet haben, ans Kap der Guten Hoffnung fahren und am südlichsten Punkt Afrika's abhängen. Wer's noch nicht gemerkt hat, ich hab mich definitiv verliebt und Kapstadt direkt auf meine Liste der tollsten Städte der Welt gesetzt.
am Kap der Guten Hoffnung |
Sonnenuntergang auf dem Lion's Head |
Sonnenkinder :-) |
Leider ging die Zeit, wie so oft wenn's einem wo gefällt, viel zu schnell vorbei und wir mussten wieder unsere 24 Stunden Absitzerei nach Windhoek antreten. Diesmal leider nicht so angenehm, da ich am Morgen wohl was Falsches gegessen hatte…. Zuhause angekommen hat mein Geburtstag mit der Zahl 20 auf mich gewartet und mir wurde seit langem mal wieder bewusst, dass es jetzt wohl doch ernst wird. Meine Ziele, mir über meine Zukunft und damit erstmal über mein Studium Gedanken zu machen, habe ich aber bisher trotzdem ganz erfolgreich verdrängt....das ist einfach so einfach hier. Aber morgen (Sonntag) habe ich tatsächlich einen Termin mit dem Internet und werde mich endlich mal hinsetzen.
Eine erschreckende Nachricht kam diese Woche aus den USA: Eine Statistik wurde aufgestellt, die besagt, dass Namibia wohl weltweit das Land mit den meisten Verkehrstoten ist. Allein im Dezember und Januar sind in Namibia 133 Menschen auf den Straßen Namibias gestorben – das sind im Schnitt mehr als zwei pro Tag. Gründe dafür sind vor allem Alkohol am Steuer, verkehrsuntaugliche Fahrzeuge und Unterschätzen der Straßenverhältnisse, vor allem bei Dunkelheit.
Was das Programm an der BAS selbst angeht, macht es immer noch sehr viel Spaß mit dem neuen Konzept, während der “Tutorial Time” ist Mathe und Englisch abwechselnd dran und danach, falls es der Regen zulässt, Basketballtraining. Freitags haben wir nach wie vor statt TT eine Life Skills Einheit, die in den ersten Wochen für Rollenspiele betrefflich unserer Werte Zuverlässigkeit, Engagement, Verantwortung, Hard Work, Qualität und Team Work genutzt wurde und danach für Verschönerungsaktionen des Klassenzimmers. Letzte Woche stand eine Einheit über Ernährung und speziell Zucker im Zusammenhang mit Zahnhygiene an. Alle Kids haben nach dem Essen eine Runde Zähne geschrubbt und ihnen ist jetzt hoffentlich ein bisschen bewusster, was sie ihren Zähnen und ihrem Körper mit den vielen, vielen cool drinks (noch süßere Varianten von Cola, Fanta, Sprite) und Süßigkeiten antun. Die Art der Ernährung ist hier sicherlich ein Problem, aber leider nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei ihren Eltern, sodas es schwer ist, eine wirkliche Änderung zu erreichen. Der übermäßige Zuckerkonsum zeigt sich jedoch viel öfter in heftigen Zahnproblemen als in Übergewicht, während die meisten sich einen Zahnarzt nicht leisten können oder wollen, sondern es so lange hingezogen wird, bis unerträgliche Schmerzen auftreten. Bei einigen unserer älteren Kinder hat Frank extreme Probleme festgestellt und sich bei mehreren um eine Behandlung gekümmert, aber auch die BAS kann das leider nicht grundsätzlich übernehmen und es bleibt definitiv ein Problem.
Was die Disziplin sonst angeht, müssen die jüngeren Kids auch noch viel lernen – für einige ist es tatsächlich noch schwer, sich den Strukturen und Regeln anzupassen und sich entsprechend angemessen zu verhalten. Auch da Namibier ganz ohne Zeitgefühl groß werden (und des Öfteren auch als Erwachsener nie was davon hören), haben wir öfters das Problem, dass Pausenzeiten nicht eingehalten werden oder beim Umziehen getrödelt wird und leider auch, dass die Kinder abends nicht direkt nach Hause gehen und noch auf den Straßen rumhängen. Ein weiterer heikler Punkt aller namibischer Kulturen ist die fehlende Überzeugung und Motivation sich selbst helfen zu wollen, sich selbst zu verbessern, indem man hart arbeitet. Diese Moral gibt es hier so gut wie gar nicht: An Supermarktkassen, in Restaurants, in Geschäften, an Schaltern, und und und läuft alles in Slow Motion ab. “Being in a hurry” gibt es hier nicht. wenn du’s eilig hast, hast du schon verloren. Und wenn du nach Freundlichkeit suchst in den genannten Bereichen, dann schon zweimal. Es ist, als ob die Leute nichts verkaufen wollen, als ob sie lieber ‘ne Runde schlafen würden, lieber in Ruhe gelassen werden wollen, statt “Guten Tag” zu sagen. Natürlich mangelt es in den Geschäften oftmals an Fachwissen, aber in den meisten anderen Bereichen ist das keine Ausrede. Es herrscht eine allgemeine Unmotivation für jede Form von Arbeit, sei es körperlich oder geistig. Gibt es einen Fall, der aus der Reihe tanzt, sind die Leute überfordert. Ein Hauptgrund ist anscheinend die kleine Populationsgröße der Namibier. Für jeden der 2,2 Millionen Menschen gibt es hier Arbeit wenn er/sie will, in einem Land mehr als doppelt so groß wie Deutschland, mit dem Tourismus und der Construction Branche, die immer weiter wachsen und Arbeit kreieren. Andererseits ist es auch einfach der African Way of Life, die Dinge gemütlich anzugehen, aber es scheint (und das habe ich schon sehr oft gehört mittlerweile) als ist es in Namibia extrem schwer, Leute dazu zu motivieren, sich selbst zu helfen. So bald man mit “Ich will..” und “Gib mir…” nicht mehr weiterkommt, wird es oft bevorzugt, mit dem Verzicht zu leben, als sich dafür einzusetzen und Engagement und Wille zu zeigen. Commitment ist ein Fremdwort in Namibia.
Zurück auf die Kinder übertragen, heißt das, dass die meisten Kids (noch) nicht erkennen, dass sie sich durch die BAS selbst wirklich helfen können, in dem sie in der Tutorial Time ihr Bestes geben, sich auf das konzentrieren was gerade abgeht und nicht jedes mal, wenn ein Coach in die andere Richtung schaut, ihre Aufgabe abkürzen oder mogeln. Nicht zu vergessen ist natürlich, dass wir es hier mit Kindern zu tun haben und dass man es in dem Alter gar nicht erwarten kann, dass sie erkennen, was für sie gut ist, während alle Leute um sie herum ihnen eine bestimmte Moral vorleben. Aber trotz allem kann man Kindern noch etwas beibringen, während bei vielen Erwachsenen die Hoffnung verloren ist, und das versuchen wir ;-)
(( Jetzt, wo ich hier noch mal drüberlese, klingt das schon krass, und es ist sicherlich was, was mir einfach nur zur Zeit so sehr auffällt. Aber ich werde es nicht ändern, weil es, auch wenn es wie überall Ausnahmen gibt, trotzdem in der Regel zutrifft und ich das sehr schade finde, weil es hier definitiv mehr Potential gibt. ))
Im Alltag bedeutet all dies, dass ich zur Zeit jeden Tag mit Halsschmerzen nach Hause gehe, weil ich so viel rede, dass ich richtig viel zu tun habe mit Vorbereitungen und dem Suchen und Erstellen von neuem Material, und mit Gedanken dazu, was für die Kinder die richtige Bestrafung für Missverhalten ist. (In der letzten Woche haben wir gar nicht trainiert, weil es nicht ausgereicht hat, dass wir mehrmals über ihr Fehlverhalten gesprochen haben, sondern anscheinend nur Handeln einen Unterschied macht.) Wir hoffen, dass sich die Zeiten jetzt ein bisschen bessern und die BASKids auch im Bereich der Disziplin Fortschritte machen werden und werschätzen werden, was für eine Chance das BAS-Stipendium für sie bedeutet. Das neue Konzept scheint akademisch auf jeden Fall schon positive Auswirkungen zu haben, merken wir doch jeden Tag, dass sie etwas gelernt haben und in irgendwas sicherer geworden sind, wenn auch nur in einer minikleinen Sache, wie nicht mehr mit den Fingern zu zählen, sondern im Kopf zu rechnen.
Meine namibische Basketballkarriere geht wohl auch bald wieder richtig weiter, nachdem wir jetzt unser erstes Training mit „Erfolgscoach“ Nigel hinter uns gebracht haben: 40 Minuten nach Trainingsbeginn, das Team war schon aufgewärmt und gedehnt und am trainieren kam er in die Halle und hat uns noch einmal „aufwärmen“ lassen und auch noch einmal dehnen – mit der Begründung, dass er dieses Jahr ernst macht. Dedee dedee dedeeeeeee.
Brandaktuelle News gibt’s auch ein paar: Während wir eine sehr liebe neue Mitbewohnerin (mit Waschmaschine!) ((aber in einer Wohnung ohne Waschmaschinenanschluss)) bekommen haben, habe ich ein neues Zimmer in einem Student Hostel gefunden, was einfach lukrativer ist und werde euch den nächsten Blog wohl dann aus meiner neuen Unterkunft schicken. Aber bevor es soweit ist, hatten wir jetzt erst einmal jede Menge Besuch aus dem fernen Europa :-) Meine liebe Freundin Ceci, die Salatgurke unter all euch treulosen Tomaten, kam Mitte Februar in Windhoek an und hat mit ihren Eltern eine Tour gemacht, bevor sie für eine Woche zu mir nach Windhoek gekommen ist. Auch mir bot das mal wieder eine Möglichkeit zu reisen und ich habe die Italianos für ein Wochenende an der Küste getroffen. Es war wirklich sehr schön, jemanden Altbekanntes hier zu haben und ihr meine neue Heimat zu zeigen.
Swakopmund |
Auch Ferdi’s Eltern sind vor einer Woche angekommen und haben unseren Kühlschrank aufgefüllt: Wienerle, Käsewürste, verschiedene Salamisorten, Käse, Bauernbrot und Milkaschokolade wurden genüsslich verzehrt! ...Und auch die Namibier haben die „Bread Time“ (Brotzeit;)) kennenlernen dürfen.
Uuuund bald krieg ich noch mehr Besuch aus der Heimat, in weniger als vier Wochen geht’s auch mit den Ellis und Jonas auf große Namibia-Safari :-). Geschenke also bitte vor dem 8. April 2014 in der Hauptstraße abgeben ;-)
Aber macht euch nicht zu viel Stress, ich komme ja schon bald wieder nach Hause... gar nicht! 7 Monate sind vorbei und komischerweise, seit wir die Halbzeit abgehakt haben, vertreten alle die Meinung, dass es jetzt schon dem Ende zu geht und wir ja bald weg sind. Krasser Gedanke! Aber die Zeit fliegt wirklich. Die nächsten Monate sind schon so verplant, dass sie sicherlich im Nu vergehen werden. Hier wird es wieder Winter werden, das ach so schön grüne Windhoek wird wieder grauer werden, und alle Einheimischen werden den Regen vermissen. (Ich bin sehr froh, für Namibia, dass es nach den zwei Jahren Dürre dieses Jahr so viel geregnet hat und immer noch tut und dass es nicht mehr so unerträglich heiß ist wie im November und Dezember, aber da wir nie gedacht haben, dass ein Regenschirm eine sinnvolle Investition wäre, wurden wir in den letzten Wochen so einige Male pitschepatsche nass auf dem Heimweg von der BAS... ) Der Bau des BAS-eigenen Klassenzimmers wird hoffentlich bald gestartet werden, sodass wir auch diese neue Ära noch miterleben dürfen und wir werden hoffentlich noch den ein oder anderen Trip auf diesem wunderschönen Fleckchen Erde planen können. Uuuuund ich werde mich auf das gruselige Ding mit dem Namen Studium konzentrieren müssen und tolle Bewerbungen schreiben. Aber ja, alles hat seine Zeit und am Ende wird’s schon irgendwie klappen!
Ich schicke euch hiermit viele Regenbogengrüße aus Namibia, natürlich auch ein paar Sonnenstrahlen und hoffe euch allen geht’s gut! Ich freue mich wie immer, was aus der Heimat zu hören ;-)
Julia
P.S. In der Fotogalerie gibt's noch mehr neue Bilder und hier findet ihr ein neues Update vom BAS.Blog!
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